Asylant verbrannte qualvoll in deutscher Polizeizelle

23. März 2007 12:54 Uhr
Asylant verbrannte qualvoll in deutscher Polizeizelle

Leipzig – Unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen beginnt am kommenden Dienstag vor dem Landgericht Dessau der Prozess um den Tod des Asylbewerbers Oury Jallow. Der 21-Jährige aus Sierra Leone starb vor mehr als zwei Jahren einen qualvollen Feuertod in einer Polizeizelle. Zwei Polizeibeamte müssen sich nun deswegen vor der 6. Strafschutzkammer des Landgerichts verantworten. Der Staatsanwaltschaft und mehreren Gutachten zufolge hätte das Opfer gerettet werden können, wenn die Beamten rechtzeitig reagiert hätten. Für den Prozess sind zunächst sechs Verhandlungstage bis zum 20. April angesetzt.Es war der 7. Januar 2005. Oury Jallow war mit Händen und Füßen an die Zellenpritsche im Dessauer Polizeigewahrsam gefesselt, weil er Widerstand gegen die Beamten geleistet haben soll. Der Asylbewerber soll zuvor in angetrunkenem Zustand Frauen belästigt haben. Was dann in der Zelle passierte, wurde bislang nicht vollständig geklärt. Oury Jallow soll den Ermittlungen zufolge mit seinem Feuerzeug eigenhändig die Matratze in Brand gesetzt haben – obwohl er gefesselt war.

Laut den Ermittlungen hat der zuständige Dienstgruppenleiter Andreas S. wegen früherer Fehlalarme den Feueralarm zunächst zwei Mal ignoriert, obwohl er von seinem Dienstzimmer aus nicht einmal eine Minute bis zur Zelle gebraucht hätte. Erst als auch der Lüftungsschalter Alarm schlug, begab er sich zu den im Keller liegenden Zellen. Anschließende Rettungsversuche scheiterten jedoch wegen des zu starken Qualms.

Die Beamten hätten innerhalb von etwa zwei Minuten nach Ausbruch des Feuers die Zelle von Jallow erreichen können. Für die Staatsanwaltschaft ist klar: Das Opfer hätte gerettet werden können, wenn bei der Durchsuchung des 21-Jährigen nicht das Feuerzeug übersehen worden wäre und der Dienstgruppenleiter rechtzeitig auf den Alarm reagiert hätte. Der 46-jährige Beamte muss sich nun wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht verantworten. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe zwischen drei und 15 Jahren.

Seinem mitangeklagten Kollegen Hans-Ulrich M., der für die Durchsuchung des Asylbewerbers zuständig war und das Feuerzeug übersehen haben soll, wirft die Staatsanwaltschaft fahrlässige Tötung vor. Der 44-Jährige muss bei einer Verurteilung mit einer Geldstrafe oder bis zu fünf Jahren Haft rechnen.

Der Vorfall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und teils heftige Kritik an der ermittelnden Justiz ausgelöst. Initiativen zum Gedenken an Oury Jallow, die regelmäßig Mahnwachen und Demonstrationen organisieren, warfen dem Landgericht eine versuchte Verschleppung des Verfahres vor. Die Initiatoren bezweifeln, dass es zu einer vollständigen Aufklärung der Todesumstände kommen wird. Die Gedenk-Initiative will den Prozess kritisch begleiten – dazu haben sich eine Reihe internationaler Prozessbeobachter, darunter Menschenrechtsaktivisten und Rechtsanwälte, angekündigt. Zum Verfahren wird auch die Mutter des Opfers als Nebenklägerin erwartet.

Die Polizei will zum Prozess mit einem verstärkten Aufgebot präsent sein und das Landgericht absichern. Im Vorfeld hatte es zwei Anschläge auf die Wohnhäuser eines der Beschuldigten und des Arztes gegeben, der für die bei Jallow entnommene Blutprobe verantwortlich war. Zu den Taten hatte sich eine „militante Gruppe“ bekannt, die dem Bundeskriminalamt bekannt ist. Die Prozessbeobachter und Besucher des Verfahrens müssen sich auf jeden Fall auf erhebliche Sicherheitskontrollen einstellen.

aus: http://www.net-tribune.de/article/230307-159.php 

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